Vorsatz: Doppeltes Bußgeld ab 40% über dem Tempolimit?
Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen gelten die Strafen aus dem aktuellen Bußgeldkatalog. Doch die Bußgeldstelle kann eine Strafe erhöhen, wenn eine erhebliche Überschreitung vorliegt. Details zur Rechtsprechung.
Was bedeutet Vorsatz im Bußgeldrecht?
Im Bußgeldrecht, insbesondere bei Geschwindigkeitsverstößen, wird zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz unterschieden. Ein Verstoß wird als vorsätzlich gewertet, wenn der Fahrer die Geschwindigkeitsbegrenzung kannte und die Überschreitung bewusst und willentlich begangen oder zumindest billigend in Kauf genommen hat. Im Gegensatz dazu handelt ein Fahrer fahrlässig, wenn er das Verkehrszeichen lediglich übersehen hat oder seine Geschwindigkeit falsch einschätzte.
Der Unterschied ist finanziell extrem relevant: Bei Vorsatz wird das festgesetzte Regelbußgeld in der Regel verdoppelt. Zudem wirkt sich Vorsatz negativ auf die Verwertbarkeit des Fahrverbots in der Wiederholungstäter-Regelung aus.
Die Rechtsprechung: Die 40-Prozent-Regel
Da Gerichte selten eine direkte Aussage des Fahrers zum Vorsatz haben, stützen sie die Annahme vorsätzlichen Handelns oft auf Indizien, die sich aus dem Ausmaß der Überschreitung ergeben. Die sogenannte 40-%-Regel hat sich hierbei als maßgebliches Indiz etabliert:
Wann Vorsatz vermutet wird
Nach der Rechtsprechung vieler Oberlandesgerichte (OLG) kann in der Regel von Vorsatz ausgegangen werden, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 40 % überschritten wurde. Bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h läge die Grenze demnach bei einer tatsächlichen Geschwindigkeit von 140 km/h.
Diese Schwelle dient als starkes Indiz, da Gerichte davon ausgehen, dass der Fahrer bei einer solch erheblichen Überschreitung die zu hohe Geschwindigkeit anhand von Motorengeräuschen, Vibrationen und dem schnellen Vorbeiziehen der Umgebung bemerkt haben muss.
Liegt die Überschreitung unter 40 %, müssen die Bußgeldrichter zusätzliche, konkrete Indizien anführen, um Vorsatz zu begründen (z.B. eine lange Messstrecke in einer Gefahrenzone oder eine besonders dichte Folge von Verkehrszeichen, die nicht übersehen werden konnten).
Vorsatz entkräften: Was Betroffene tun können
Wird Ihnen im Bußgeldbescheid vorsätzliches Handeln vorgeworfen, ist eine aktive Verteidigung ratsam, um eine Verdopplung der Strafe zu verhindern. Sie müssen den Vorsatz nicht beweisen, aber die Verdopplung begründen:
1. Akteneinsicht beantragen
Lassen Sie über Ihren Verteidiger die vollständige Bußgeldakte einsehen. Prüfen Sie die Begründung des Vorsatzvorwurfs: Beruht er nur auf der prozentualen Überschreitung oder gibt es weitere Indizien, die die Bußgeldbehörde anführt?
2. Geschlossene Einlassung vorbereiten
Legen Sie dar, warum Ihnen die Überschreitung nicht bewusst war. Mögliche Argumente: Ablenkung, Übersehen des letzten Schildes in einem Trichter (siehe Urteil OLG Bamberg), Dunkelheit oder die Konzentration auf den Verkehr. Eine pauschale "Ich-habe-es-übersehen"-Erklärung ist oft nicht ausreichend.
3. 40-%-Grenze und Umstände prüfen
Liegt die Überschreitung unter 40 %? Dann verlangen Sie eine konkrete Beweisführung durch das Gericht. Liegt die Messung in einer Baustelle oder ist die Differenz zur erlaubten Geschwindigkeit absolut gering (z.B. 22 km/h bei 60 km/h), kann dies gegen die Indizwirkung des Vorsatzes sprechen.
Wird Ihnen Vorsatz vorgeworfen?
Die Verdopplung des Bußgeldes durch einen Vorsatzvorwurf ist oft anfechtbar. Lassen Sie die juristische Begründung des Vorwurfs sowie die Umstände der Messung von einem erfahrenen Anwalt überprüfen, um die Strafe auf ein fahrlässiges Maß zu reduzieren.
Zur kostenlosen PrüfungQuellen & weitere Infos:
- Rechtsprechung (Beispiel): OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.07.2022 – 1 OWi 2 SsBs 39/22
- Gesetzliche Grundlage: § 3 Abs. 4 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV).