OLG Bayern: Auf welchen Straßen ist eine Rettungsgasse zu bilden?

Die Frage zur Bildung einer Rettungsgasse beschäftigte das Bayerische Oberlandesgericht. Die Richter stellen in Ihrem Beschluss klar, dass innerorts nicht automatisch die Regelungen wie auf einer Autobahn angewendet werden dürfen.

15.09.2025, 10:49 Uhr Redaktion
Das Bilden einer Rettungsgasse hilft Einsatzkräften schnell zum Unfallort zu gelangen.
Das Bilden einer Rettungsgasse hilft Einsatzkräften schnell zum Unfallort zu gelangen.

BayObLG: Keine Pflicht zur Rettungsgasse auf autobahnähnlichen Straßen innerorts!

Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse ist jedem Autofahrer bekannt – doch gilt sie wirklich überall? Ein aktueller Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) sorgt für Aufklärung und zeigt: Nicht jede mehrspurige Straße innerorts erfordert automatisch eine Rettungsgasse, selbst wenn sie wie eine Autobahn ausgebaut ist. Ein Urteil mit weitreichenden Folgen für Bußgeldverfahren.

Der Fall: Fahrverbot wegen blockierter Rettungsgasse innerorts

Das Amtsgericht Augsburg hatte einen LKW-Fahrer zu einer Geldbuße von 240 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Der Vorwurf: Er habe auf einer Bundesstraße im Stadtgebiet von Augsburg keine vorschriftsmäßige Gasse für ein Polizeifahrzeug gebildet, das sich im Einsatz befand. Der Fahrer legte gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde ein, mit der Begründung, dass innerorts keine Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse bestehe.

Das BayObLG folgte der Argumentation des Fahrers und hob das Urteil des Amtsgerichts auf. Die entscheidende Begründung lag in der Auslegung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), insbesondere des § 11 Abs. 2.

  • Klarer Wortlaut des Gesetzes: Laut § 11 Abs. 2 StVO besteht die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse nur auf „Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung“.
  • Keine Autobahn: Die betroffene Bundesstraße war, obwohl autobahnähnlich ausgebaut, durch kein Verkehrszeichen als Autobahn ausgewiesen.
  • Tatort war innerorts: Der Vorfall ereignete sich unstrittig innerhalb einer geschlossenen Ortschaft, also nicht „außerorts“.
  • Analogieverbot: Eine Ausweitung der Regelung auf innerörtliche Straßen würde laut Gericht die Grenzen der zulässigen Auslegung überschreiten und gegen das im Grundgesetz verankerte Analogieverbot verstoßen.

Auslegung des Gesetzes: Wortlaut ist entscheidend

Das Gericht stellte klar, dass der eindeutige Wortlaut einer Vorschrift die Grenze der Auslegung bestimmt. Eine richterliche Rechtsfortbildung, die den klaren Wortlaut des Gesetzes ignoriert, ist unzulässig. Auch der Zweck der Regelung – schnelle Hilfe bei Unfällen zu ermöglichen – gebiete es nicht, die Pflicht zur Rettungsgasse auf den innerörtlichen Verkehr auszudehnen. Innerorts gibt es in der Regel andere Möglichkeiten für Rettungsfahrzeuge, sich einen Weg zu bahnen, etwa indem andere Fahrzeuge an den rechten Fahrbahnrand fahren.

Obwohl der Fahrer vom Vorwurf des Verstoßes gegen die Rettungsgassenpflicht freigesprochen wurde, wies das Gericht darauf hin, dass sein Verhalten möglicherweise eine andere Ordnungswidrigkeit darstellt. Der Fall wurde daher an das Amtsgericht zurückverwiesen, um zu prüfen, ob der Fahrer gegen § 38 Abs. 1 StVO verstoßen hat, indem er einem Einsatzfahrzeug mit Blaulicht und Einsatzhorn nicht sofort freie Bahn geschaffen hat.

Wichtiges Signal für Bußgeldverfahren

Dieser Beschluss ist ein wichtiges Signal für alle Verkehrsteilnehmer. Er unterstreicht die Bedeutung des genauen Wortlauts von Gesetzen und schützt Bürger vor einer unzulässigen Ausweitung von Bußgeldtatbeständen durch die Gerichte. Es zeigt sich einmal mehr, dass eine genaue Prüfung des Bußgeldbescheides und der zugrundeliegenden Vorschriften durch einen Experten für Verkehrsrecht entscheidend sein kann, um sich gegen unberechtigte Vorwürfe erfolgreich zur Wehr zu setzen.

Quellen & weitere Infos:

  • BayObLG, Beschluss vom 17.10.2023, Az.: 202 ObOWi 1093/23 (Fundstellen: BeckRS 2023, 31055; SVR 2024, 71).
  • Normenkette: StVO § 11 Abs. 2, § 18, § 38 Abs. 1 S. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 11, § 49 Abs. 3 Nr. 3

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